Der VDA Crashkurs Politik, Teil 1.

Für unseren Crashkurs Politik erläutert Jens Crueger einige politische Begriffe, die häufig im Zusammenhang mit Artenschutzpolitik auftauchen. Jens ist Präsident des VDA, war selbst 8 Jahre Landtagsabgeordneter, und ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung (de’ge’pol).


Heute: der Koalitionsvertrag
Was ist überhaupt dieser Koalitionsvertrag, von dem man immer so viel hört und liest? Wir haben ja berichtet, dass im Koalitionsvertrag der neuen Ampelregierung ein Importverbot sämtlicher Wildfänge für den Heimtiermarkt gefordert wird (auf S. 38). Welche Bedeutung hat diese Forderung dort im Koalitionsvertrag? Wird daraus jetzt direkt ein Gesetz gegossen?
Gemach, gemach! Papier ist geduldig, das gilt insbesondere für Koalitionsverträge. Denn genau genommen ist ein Koalitionsvertrag eigentlich nur ein Blatt Papier, auf welchem sich zu Beginn einer Legislaturperiode (also nach der Wahl) jene Parteien einigen, die gemeinsam eine Regierung bilden wollen. Da bis zum Wahltag ja jede Partei mit unterschiedlichen Forderungen und Position in den Wahlkampf gezogen ist, braucht es für eine Koalitionsregierung, die von mehreren Parteien getragen wird, immer eine inhaltliche Übereinkunft. Darin muss zwischen den Parteien geklärt werden, wie mit ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten umzugehen ist. Diese Übereinkunft besteht im wesentlichen aus dem Koalitionsvertrag, an dem die beteiligten Parteien durch ihre Unterhändler:innen teilweise wochenlang bis in die tiefe Nacht hinein verhandeln und feilen lassen. Alle heiklen inhaltlichen Punkte werden in solch einem Koalitionsvertrag geregelt. Aber auch Dinge, bei denen sich alle Koalitionsparteien einig sind, erwähnt man gerne nochmals breit und ausdrücklich – das schafft Zuversicht und Selbstgewissheit. So entsteht für den interessierten Leser mit dem Koalitionsvertrag ein Schriftstück, aus dem er in etwa herauslesen kann, in welche Richtung die künftige Koalition arbeiten wird. Am Ende der Koalitionsverhandlungen steht der fertige Vertrag, der alle Politikfelder umfasst. Diesem Schriftstück stimmen die Parteien zu, wenn sie miteinander eine Koalition bilden. Und er gilt dann als Richtschnur für das Regierungshandeln im Laufe der Legislaturperiode.

Das bedeutet aber zwei Dinge ganz klar nicht: erstens bedeutet es nicht, dass nicht auch ganz andere politische Positionen von der jeweiligen Regierung aufgegriffen werden können, die gar nicht oder anders im Koalitionsvertrag stehen. Gerade die vergangenen Legislaturperioden haben gezeigt, dass beispielsweise besondere globale Ereignisse ein schnelles Regierungshandeln nötig machen, wovon sich zum Zeitpunkt des Koalitionsvertrages überhaupt noch nichts absehen ließ. Ein Koalitionsvertrag ist also kein Blick in die Glaskugel, der etwas über die konkrete Zukunft verrät, sondern eher der Bauplan für eine unter Normalbedingungen laufende Legislaturperiode.
Und zweitens bedeutet ein Koalitionsvertrag auch nicht, das alles was darin steht im Endeeffekt auch ohne Zähneknirschen von der Koalition umgesetzt wird. Denn wie immer wenn mehrere Partner*innen an einem Tisch sitzen, muss auch bei Koalitionsverhandlungen jeder der beteiligten Parteien mal ein inhaltliches Zugeständnis gemacht werden. Im späteren Regierungshandeln erinnert man sich an manche dieser nächtlichen Zugeständnisse nicht mehr so gerne. Es ist also durchaus normal, dass einige Forderungen aus dem Koalitionsvertrag (worauf die eine oder andere Partei besonders stolz ist), niemals konkretes Regierungshandeln werden. Für solche Situationen gibt es immer noch einen Katalog an gemeinen Maßnahmen, beispielsweise eine nochmalige genaue Prüfung des Sachverhalts zu fordern, oder auf eine auskömmliche Finanzierung zu drängen. Ein schön klingendes Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag wird damit in der Regierungspraxis sehr schnell untauglich. 

Also sollte man trotzdem immer wissen was der Koalitionsvertrag mit dem eigenen Hobby so vorhat? Ja klar, auf jeden Fall! Der Koalitionsvertrag ist eine Richtschnur für die kommenden vier Jahre Regierungspolitik. Aber ist alles in Beton gegossen was im Koalitionsvertrag steht? Nein, keinesfalls, auch wenn das immer genau derjenige behaupten wird, der seine Idee im Koalitionsvertrag unterbringen konnte. Und ja eine Sache stimmt sicherlich, ein Koalitionsvertrag ist dann besonders gut, wenn er für alle beteiligten Koalitionspartner gleichermaßen saure wie süße Äpfel beinhaltet. Will heißen, wenn jeder in der Koalition ein Interesse daran verspürt, diesen Koalitionsvertrag möglichst weitgehend umzusetzen, um seine eigenen Herzensprojekte realisieren zu können. Denn dafür nimmt man dann die Dinge, die sich der Partner gewünscht hat, halt billigend in Kauf.

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