Das Gefahrtiergesetz NRW 2014

Im Januar 2021 haben DGHT und VDA eine Stellungnahme zur Überarbeitung der Niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung eingereicht. Viele von Euch erinnern sich bestimmt auch noch, als 2014 in Nordrhein-Westfalen ein Gefahrtiergesetz diskutiert wurde (https://www.umwelt.nrw.de/presse/pressemitteilung/minister-remmel-hochgiftige-tiere-gehoeren-nicht-in-die-wohnzimmer-landeskabinett-verabschiedet-eckpunkte-fuer-neues-gefahrtiergesetz-gesetzentwurf-zur-haltung-gefaehrlicher-tiere-geht-in-die-verbaendeanhoerung-1413894120). Unser damaliger Präsident Stefan Hetz hatte seinerzeit eine Stellungnahme für den VDA verfasst, die wir an die Regierung in NRW geschickt haben. Auch heute noch sind unsere Argumente von 2014 wichtig und aktuell. Hier lest Ihr unsere damalige Stellungnahme:

Giftige Fische:

In Ihrem Entwurf eines „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Tieren wildlebender Arten (Gefahrtiergesetz – GefTierG NRW)“ führen Sie unter § 2 Haltungsverbot unter 5. alle Arten der Familie der Steinfische (Synanceiidae) auf. In Ihrer Begründung für das Verbot führen Sie an:

„…Die Steinfische werden meist zu den Skorpionfischartigen oder Drachenkopffischverwandten (Ordnung Scorpaeniformes) gestellt und zählen zu den giftigsten Fischen überhaupt. Sie besitzen an der Rückenflosse Giftstachel, in denen ein starkes Nervengift enthalten ist. Das injizierte Gift kann bei Menschen zu sehr starken, langanhaltenden Schmerzen, Kollaps, Bewusstlosigkeit oder zum Tod führen; …“

In Ihrer Vorschrift einer Anzeigepflicht gemäß § 3 Absatz 1 Satz 1 des Gefahrtiergesetzes führen Sie unter Punkt 7. unter anderem die weiter unten genannten Tiere auf. Es handelt sich nach Ihren Ausführungen um bestimmte mit Giftstacheln bewehrte Fischarten, soweit diese nicht unter § 2 Nummer 5 des Gefahrtiergesetzes aufgeführt sind. Sie führen folgende Fische an:

„ … das sind alle Arten der Familien der Korallenwelse oder Aalwelse (Plotosidae), Petermännchen (Trachinidae), Froschfische (Batrachoeididae), der Kaninchenfische (Siganidae), der Skorpionfische (Scorpaenidae) mit den Unterfamilien Eigentliche Skorpionfische (Scorpaeninae) und Feuerfische (Pteroinae) und die Arten der Unterordnung der Stechrochenartigen (Myliobatiformes) sowie die Welsart Heteropneustes fossilis und bestimmte Arten der Familie der Himmelsgucker (Uranoscopidae), nämlich Astroscopus (synonym Uranoscopus) guttatus, Astroscopus sexspinosus, Astroscopus y-graecum, Astroscopus zephyreus, Kathetostoma averruncus, Kathetostoma albigutta, Uranoscopus archionema, Uranoscopus japonicus, Uranoscopus scaper und Uranoscopus sulphureus: Diesen Fischen ist gemeinsam, dass sie über einen oder mehrere Stachel verfügen, mit denen Gift injiziert werden kann. Der Giftstachel bei den Stechrochen liegt an der Schwanzwurzel, sie können bei großen Arten tiefe Stiche verursachen. Die Stachel der anderen aktiv giftigen Fischarten sind Knochenstrahlen an Flossen, meist an der Rückenflosse. Die injizierten Gifte können bei Menschen zu Wunden und Wundinfektionen an der Einstichstelle, lokalen, sehr heftigen und teilweise lang anhaltenden Schmerzen, Ödemen und Schwellungen und Symptomen wie Schwitzen, Angst, Übelkeit und Atembeschwerden führen; …“

Wie Sie oben richtig formulieren, sind viele dieser Fischarten mit einem oder mehreren Stacheln „bewehrt“. Diese Stacheln, die in den meisten Fällen nichts anderes darstellen als besonders ausgebildete oder umgebildete Rücken-, Brust- oder Schwanzflossenstacheln, stellen ähnlich der Haut von Baumsteigerfröschen Maßnahmen zur Verteidigung gegenüber Fressfeinden dar, die meistens ihre Beute aus der Luft attackieren. Deshalb zeigen die meisten dieser Fische eine substratgebundene Lebensweise und sind getarnt. Die von Ihnen aufgeführten Fischgruppen sind also ebenfalls „passiv giftig“ (Lopes-Ferreira et al., 2014; Sivan, 2009). Bei alleine auf mehr als 1000 als giftig eingeschätzten Welsarten, kann hier nicht auf alle Fische eingegangen werden, weshalb nur wenige aquaristisch relevante Arten behandelt werden sollen.

Die passive Giftigkeit von Fischen verursacht dann ein Problem, wenn ein Mensch im natürlichen Biotop der Fische aus Versehen auf einen Fisch tritt. Die meisten der von Ihnen aufgeführten Arten, sind wenig bewegliche, versteckt oder im Sand eingegraben lebende Arten, weshalb es im natürlichen Biotop durchaus zu Unfällen durch den unbeabsichtigten Kontakt mit Flossen kommen kann (Sivan, 2009). Aus den Herkunftsländern der Fische sind eine Vielzahl von Begegnungen mit solchen Fischen dokumentiert (Blomkalns und Otten, 1999; da Silva et al., 2010; Haddad et al., 2013; Haddad et al., 2012; Haddad und Martins, 2006; Haddad et al., 2004; Kaar et al., 2014; Neto und Haddad, 2010; Sazima et al., 2005; Vetrano et al., 2002). Fast alle der in diesen Arbeiten genannten Tiere besitzen jedoch keine oder sehr geringe Relevanz als Aquarienfische.

Eine gewisse Gefährdung geht auch von allergischen Reaktionen gegen Bestandteile der Fischhaut aus. Man kann heute davon ausgehen, dass ungefähr 5% der Kinder und 2% der Erwachsenen an einer Allergie gegen Meeresfrüchte und Fischbestandteile leiden (Sharp und Lopata, 2014).

Anders als in Ihren Ausführungen konnten wir nicht nachvollziehen, dass Vergiftungen infolge der Einwirkung von Steinfischen (hier die Gattung Synanceia) in neuerer Zeit zu Todesfällen führten (Ngo et al., 2009). Die Patienten wurden mit heißem Wasser an den Einstichstellen behandelt. Von 30 Fällen kam es nur bei einem zur Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs.

Rotfeuerfische besitzen sicher die größte Relevanz als Aquarienfische. Sie zeichnen sich durch ein skurriles Aussehen und eine außergewöhnliche Färbung aus. Rotfeuerfische (Pteroinae; z.B. Pterois volitans), im amerikanischen Sprachgebrauch als Löwenfisch (Lionfish) bezeichnet, sind aquaristisch von einiger Bedeutung und haben eine recht große Verbreitung erlangt. Obwohl diese Fische im Aquarium langsame Schwimmer sind, führte die Unachtsamkeit einiger Aquarianer beim Hantieren im Aquarium dazu, dass Verletzungen durch die giftigen Flossenstrahlen auftraten (Vetrano et al., 2002). Eine geeignete Maßnahme ist das Eintauchen der betroffenen Gliedmaßen in Wasser von 40 bis 45°C, was einen Großteil des Giftes inaktiviert. Eine Behandlung erfolgt, falls nötig symptomatisch mit schmerzstillenden Mitteln. In sehr seltene Fällen treten auch Schwellungen auf (Elston, 2006). Die Auswertung von 404 Stichen oder Bissen exotischer Haustiere in Frankreich und Deutschland in den Jahren 1996 bis 2006 ergab eine Gesamtzahl von 123 durch aquatische Tiere hervorgerufenen Fällen, davon 54 Fälle durch Rotfeuerfische und 14 Fälle durch Stechrochen (Schaper et al., 2009). Die Schwere der Fälle war gering oder moderat.    

Weitere von Ihnen genannte Arten, wie zum Beispiel die in Indien als Speisefisch geschätzte ArtHeteropneustes fossilis, eine Art, die auch von Ihnen angeführt wurde, besitzen arretierbare spitze Brustflossenstrahlen, die mit einer Giftdrüse versehen sind (Satora et al., 2008). Hier ist Vorsicht im Umgang mit den Tieren geboten, vor allem, wenn diese sich außerhalb des Wassers befinden. Aus der Aquaristik (Lammel, 1992) sind jedoch bisher keine Unfälle bekannt. In der Natur ist die Art mittlerweile durch Biotopzerstörung gefährdet (Haniffa et al., 2008). Seit einiger Zeit wird Heteropneustes, wie auch Clarias in Aquakultur vermehrt (Tripathi, 1996). Clarias, eine Gattung, deren Arten ähnliche Brustflossenstacheln wie Heteropneustes aufweisen, wird auch zunehmend in  Deutschland in Aquakultur gehalten (Proteau et al., 1996; Rosa et al., 2007).

Die Brustflossendornen von Welsen können Verletzungen beim Fang der Tiere mit der Hand hervorrufen (Kaar et al., 2014). Dabei ist es weniger das Gift der Stacheln sondern eine Sekundärinfektion der punktförmigen Wunde, welche die Probleme bereitet (Blomkalns und Otten, 1999). Die Behandlung erfolgt oft symptomatisch mit Antibiotika.  

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