Auch wenn es seltsam erscheint: dieser kleine Fisch – diese Art gehört zu den kleinsten Salmlern der Welt und wird nur 2,5 – 3 cm lang – ist in kaum einem Museum der Welt vorhanden, jedenfalls nicht als wildgefangenes Material. Dabei handelt es sich um einen der weltweit häufigsten Zierfische! Zu Abermillionen werden diese bunten, problemlosen Fische gezüchtet. Zuchtschwerpunkt ist heutzutage Südostasien, doch beschäftigen sich auch Zuchtbetriebe in Europa und den USA mit der Art. Es erscheint höchst fraglich, ob überhaupt seit dem Erstexport 1920 jemals wieder Wildfänge von Hyphessobrycon flammeus im internationalen Tierhandel auftauchten.
Ist der Rote von Rio schon ausgestorben?
Die letzten wissenschaftlichen Nachweise aus der Region Rio de Janeiro erfolgten 1972. Seither wurde die Art nicht wieder aus diesem Gebiet gemeldet. Ausgestorben muss sie deshalb aber noch nicht sein. So fand z.B. Dr. Christian Steinberg ganz unerwartet Bestände in küstennahen Schwarzwasserlagunen, aber auch diese Populationen sind durch Industrieanlagen bedroht.
Hans-Georg Evers, der erfahrene brasilienreisende Aquarianer und Redakteurs-Kollege (er war Chef-Redakteur der ”Amazonas”) schrieb mir dazu: ”Rote von Rio habe ich auf etwa 10 Reisen in den 90er Jahren in allen möglichen Biotopen im Bundesstaat Rio de Janeiro gesucht. Es handelt sich um Bewohner von Schwarzwassersümpfen. Gefunden habe ich sie nur ein einziges Mal, müsste schauen, ob ich da noch Infos finde. Ich glaube, es war so um 2000 rum. Die Art ist definitiv sehr selten geworden, da die Lebensräume zerstört wurden. Das betrifft noch weitere Endemiten aus dieser Ecke. Weiter südlich wird die Art bereits von H. reticulatus und H. griemi abgelöst, die solche Lebensräume besiedeln. Leider wurde Nannostomus beckfordi vor einigen Jahrzehnten ausgesetzt, die den Roten von Rio ebenfalls das Leben schwer machen könnten.
Weiter nördlich nach Espirito Santo rauf gibt es keine Sümpfe, ist es viel trockener.
Um Deine Frage zu beantworten: Ja, sie sind extrem gefährdet! Helmut Stallknecht ein Aquarianer aus der damaligen DDR und Züchter vieler Salmler-Arten pflegte seinen Stamm über 40 Jahre lang. Auch andere Aquarianer hatten diese Fische zu dieser Zeit so lange. Ich glaube kaum, dass irgendwo mal frisches Blut reinkam. Ich habe damals keine Tiere mitgenommen, da es am Anfang der Reise war und ich nur wissen wollte, ob sie noch da sind.
Die Tiere heutzutage haben mit den Wildtieren kaum noch Ähnlichkeit, was die Farbintensität anbelangt. Ich glaub ich muss wirklich einmal schauen, ob ich noch irgendwo ein Dia finde. Ich erinnere mich nur noch, dass es eine üble stinkende Brühe war und ich der Einzige, der Bock hatte, da reinzugehen.”
Neue Vorkommen entdeckt
Seit 2004 steht der Rote von Rio in Brasilien als bedrohte Art unter Schutz. Ohne wirksamen Biotopschutz ist dieser Schutzstatus allerdings nichts wert. 1977 entdeckte man plötzlich in der recht gut untersuchten Region des oberen Rio Tiete Vorkommen des Roten von Rio, die dort offenbar recht Individuen reich und regelmäßig in wissenschaftlichen Aufsammlungen enthalten sind. Der jüngste Nachweis erfolgte erst kürzlich – 2011 – und nichts deutet darauf hin, dass die Bestände des Roten von Rio im Oberlauf des Tiete rückläufig sind. Leider geht aber dieses Vorkommen vermutlich auf ausgesetzte Aquarienexemplare zurück – schade, schade.
Unbedingt erhalten!
Das Beispiel des Roten von Rio zeigt sehr deutlich, wie wichtig es sein kann, dass wir unsere Aquarienstämme erhalten. Auch wenn eine solche Erhaltungszucht aufgrund der genetischen Verarmung nicht unproblematisch ist: es ist immer noch besser, eine Art in Gefangenschaft zu erhalten, als dass sie endgültig und unwiederbringlich von unserem Planeten verschwindet.
Der Koalitionsvertrag bedroht den Roten von Rio!
Im Koalitionsvertrag der Ampelparteien ist festgeschrieben, dass man sich für einen Importstopp von Wildfängen in die EU zum Zwecke der privaten Tierhaltung einsetzen möchte.
Man muss ganz klar sehen, dass es sich dabei um eine rein ideologische Forderung handelt!
Wissenschaftlich begründete Argumente für ein solches generelles Importverbot gibt es nicht, schon deshalb nicht, weil nicht der Handel mit lebenden Exemplaren, sondern ausschließlich die Zerstörung des Lebensraumes eine Bedrohung für den Fortbestand von Kleintierarten ist – wie beim Roten von Rio.
Nun mag man argumentieren, dass es vom Roten von Rio ja keine Wildfänge im Handel gibt und sie deshalb nicht von diesem Handelsverbot betroffen seien.
Das ist zwar auf dem Papier richtig, aber in der Praxis kann ein Grenzbeamter wildfarbene Nachzuchten nicht von Wildfängen unterscheiden. Wenn es wirklich ein solches EU-weites Verbot geben wird, brächte es darum mit Sicherheit jeglichen legalen Handel mit Wildformen von Zierfischen zum Erliegen, egal ob Wildfang oder Nachzucht. Natürlich ist Europa nur ein Teil des Weltmarktes für Zierfische, in den USA, Kanada, Russland und großen Teilen Asiens gibt es auch enthusiastische Aquarianerinnen, die weiterhin den Roten von Rio pflegen und züchten werden. Aber es wäre doch sehr schade, wenn die in der EU lebenden Aquarianerinnen aufgrund von ideologischer Verbiesterung aus dem Kampf für den Erhalt der Biodiversität ausgegrenzt würden.